Nachdem ich bereits zweimal an den CampaniaStories teilgenommen hatte, bot sich mir nun die Gelegenheit an der Anteprima Sagrantino teilzunehmen. Während sich die CampaniaStories ganz den kampanischen Weinen widmet, ist die Anteprima Sagrantino das Pendant dazu für die Weine aus Umbrien.
Abb. 1: Logo des Consorzio Tutela Vini Montefalco
Wenn der Durchschnitts-Deutsche an italienische Weine denkt, dann denkt er bestimmt an den Chianti und den Brunello di Montalcino aus der Toskana, den Barolo aus dem Piemont, den Valpolicella und den Amarone aus dem Veneto, vielleicht auch noch an den Primitivo aus Apulien oder den Nero d'Avola aus Sizilien (den kennt man meist vom italienischen Restaurant). Schon bessere Italien-Kenner können vielleicht noch mit dem Barbaresco aus dem Piemont und dem Vino Nobile di Montepulciano aus der Toskana was anfangen. Aber wer kennt einen Wein aus Umbrien? Wer weiß mit einem Sagrantino di Montefalco, einem Montefalco Rosso und einem Trebbiano Spoletino etwas anzufangen? Hier sind schon die wahren Italienkenner gefragt. Im Folgenden möchte ich gerne ein bisschen Licht in das dunkle Weinwissen bringen. Denn diese Weine aus Umbrien sind es definitiv wert bekannt zu sein.
Vom 7. bis 9. Juni hat das Consorzio Tutela Vini Montefalco zur Anteprima Sagrantino 2017 nach Montefalco eingeladen. Wie auch die CampaniaStories wurde die Anteprima Sagrantino hervorragend von der Agentur Miriade & Partners organisiert. Eingeladen waren Wein-affine Journalisten aus Italien und auch aus dem Ausland. Trotz schwierigeren Anreisen in Zeiten von Corona waren z.B. Teilnehmer aus Korea, Mexiko, Schweden, Österreich und Deutschland anwesend.
Abb. 2: Palazzo Comunale in Montefalco
Angereist war ich zusammen mit meiner Frau Mariangela zwei Stunden mit dem Auto aus Rom. Nachdem man aus Lazio kommend Umbrien erreicht hat, fährt man erst eine Zeit lang inmitten höherer Berge, die alle sehr bewaldet sind. Man sieht keinen einzigen Weinberg. Erst wenn man bei der wunderschönen Stadt Spoleto angelangt ist (überragt durch die Rocca Albornoziana, die ab 1359 erbaut wurde), sieht man erste Olivenhaine und ab und zu auch einen kleinen Weinberg. Weitere 25km später erreicht man dann Montefalco. Auf dem Weg dorthin sieht man dann mehr und mehr Weinberge. Und das Schöne dabei ist die Biodiversität: neben Weinbergen befinden sich abwechselnd Olivenhaine, Getreidefelder, kleine Wälder oder Wiesen. Die Gegend ist einfach wunderschön !!
Abb. 3: typisches Landschaftsbild in der Gegend um Montefalco
Montefalco ist eine kleine Gemeinde mit etwas mehr als 5.000 Einwohnern. Die Altstadt ist von einer gut erhaltenen Stadtmauer mit 4 Toren aus dem 13. Jahrhundert umgeben. Den Namen Montefalco (auf Deutsch: Falkenberg) erhielt der Ort wohl zu Ehren von Kaiser Friedrich II., der hier des öfteren auf Falkenjagd gewesen sei. Deshalb ist auch heute noch der Falke Teil des Stadtwappens und auch auf dem Logo des Consorzio zu finden.
Abb. 4: Morgendliche Sicht aus dem La Rocca Guest House
In Montefalco angekommen hatten wir das Glück mit dem 'La Rocca' Guest House eine sehr schöne Unterkunft in der Altstadt von Montefalco zu haben. Unterkunft hört sich dabei zu normal an, es war tatsächlich ein alter Palazzo aus dem späten Mittelalter, mit einer wunderschönen Sicht bis nach Assisi. Ein weiterer Vorteil war die Nähe (2 Minuten zu Fuß) zum Palazzo Comunale aus dem 13. Jahrhundert, wo die Weinproben stattgefunden haben. Auch war der Palazzo Comunale Ausgangspunkt für alle Weingutaktivitäten.
Abb. 5: Wunderschöne Seitenstraße in Montefalco
Aber kommen wir mal zu den Weinen. Bei den Weißweinen gibt es als einzige DOC-Klassifizierung den Montefalco Bianco. Er muss zu mindestens 50% die Rebsorte Grecchetto beinhalten sowie 20-35% Trebbiano. Maximal 30% andere weiße Rebsorten, die in Umbrien zugelassen sind, dürfen hinzugefügt werden. Weiterhin findet man des öfteren noch den Trebbiano Spoletino als IGT-Klassifizierung, der zu 100% aus der Rebsorte Trebbiano besteht.
Bei den Rotweinen gibt es zuerst einmal den Montefalco Sagrantino (oder auch Sagrantino di Montefalco), eine DOCG-Klassifizierung, die zu 100% aus der autochthonen Rebsorte Sagrantino hergestellt wird. Die Rebsorte Sagrantino wird meines Wissens auch nur in Umbrien angebaut. Dazu gibt es den DOC-Wein Montefalco Rosso. Im Gegensatz zu Montalcino, wo der Rosso di Montalcino ein 'kleiner' Brunello di Montalcino ist (da beide zu 100% aus Sangiovese), ist der Montefalco Rosso ein eigenständiger Wein. Er muss zu mindestens 60 bis 70% aus Sangiovese bestehen, die auch in Umbrien wie in der Toskana eine autochthone Rebsorte ist, und mindestens 10 bis 30% aus Sagrantino. Je nachdem kann der Rest mit in Umbrien zugelassenen Rebsorten aufgefüllt werden. In der Vergangenheit waren nur 10-15% Sagrantino zugelassen, was als Konsequenz dazu führte, dass immer mindestens eine dritte Rebsorte hinzugefügt wurde. Dies waren in den allermeisten Fällen die internationalen Rebsorten Merlot und/oder Cabernet Sauvignon. Durch die Änderung, dass Sagrantino bis 30% hinzugefügt werden kann, wurde erreicht, dass es nun Montefalco Rosso gibt, die nur aus den beiden autochthonen Rebsorten Sangiovese (70%) und Sagrantino (30%) bestehen. Was nach meinem Dafürhalten den Weinen durchaus mehr umbrische Identität verleiht. Ich habe beide Varianten vorgefunden. Z.B. haben die Weingüter Scacciadiavoli und Brizziarelli Merlot und/oder Cabernet Sauvignon beigemischt, während die Weingüter Tabarrini oder Tenuta Bellafonte nur die beiden autochthonen Rebsorten benutzen.
Abb. 6: Weinregal bei der Jahrgangsverkostung
Wie bei den Jahrgangsvorstellungen üblich, wurde natürlich auch der Jahrgang vorgestellt. Hier war es das Sagrantino-Jahr 2017, was durch einen späten Frost im April zu Produktionsausfällen von ca. 40% führte. Einem heißen Sommer folgten Regenfälle kurz vor der Weinlese, die dazu führten, dass zumindest gesunde Trauben gelesen werden konnten. Der Jahrgang wurde mit 3 von 5 Sternen bewertet.
Am ersten Tag der Anteprima gab es auch gleich die erste Blind-Weinprobe. Ich konnte 44 Montefalco Sagrantino probieren und mir ein Meinungsbild schaffen. Vielleicht ist es noch wichtig zu erwähnen, dass der Sagrantino keine 'einfache' Rebsorte ist. Was ich damit meine ist, er besitzt unheimlich viele Tannine (Gerbstoffe), die die Winzer besonders fordern. Wenn sie dabei keine ruhige Hand an den Wein legen, dann kann es sein, dass sich beim Trinken der ganze Mund zusammenzieht (oder wie ein Freund sagte: er zieht einem das Hemd in den A....). Für mich ist die Rebsorte Sagrantino die Rebsorte mit den meisten Tanninen, die ich kenne, trotz Nebbiolo, Sangiovese und Aglianico.
Abb. 7: Blindverkostung von Montefalco Sagrantino
Bei dem Blindtasting haben sich die folgenden Weingüter mit besonders guten Montefalco Sagrantino hervorgetan:
Moretti Omero 'Vignalunga'
Benedetti & Grigi
Bocale
Plani Arche 'Apoca'
Tenuta Bellafonte 'Collenttolo'
Romanelli 'Terra Cupa'
Ilaria Cocco 'Phonsano'
Arnaldo Caprai 'Valdimaggio'
Tenuta Castelbuono-Lunelli 'Carapace'
Tenuta Alzatura
Tabarrini
Bei den Montefalco Rosso waren es
Benedetti & Grigi 'Estia'
Tabarrini 'Boccatone'
Tenuta di Saragano
Tenuta Bellafonte 'Pomontino'
Tenute Baldo 'Re Migrante'
Tenute Lunelli Castelbuono 'Lampante'
Sehr interessant war dann auch die Masterclass für Sommelier, die von Antonio Boco, einem bekannten Weinjournalisten und Sommelier des Verlages Gambero Rosso, abgehalten wurde. So hatte er jeweils einen umbrischen Wein mit einem nicht-umbrischen Wein verglichen und besprochen. Bei der Auswahl hatte er dabei jeweils einen Vergleichswein gesucht, der nach seiner Meinung sehr ähnlich ist. Die Paarungen waren wie folgt:
Trebbiano Spoletino 2019 von Antonelli (Umbrien)
versus
Pecorino 'Onirocep' 2019 von Pantaleone (Abruzzen)
Montefalco Rosso 2018 von Fratelli Pardi
versus
Cahors 2018 von Clos de Gamot (Frankreich)
Montefalco Sagrantino 2008 von Adanti
versus
Rioja 2008 von Tondonia (Spanien)
Es war spannend zu sehen, wie die Weine trotz sehr unterschiedlicher Herkunft und Rebsorten vergleichbar waren !
Abb. 8: Antonio Boco bei der Masterclass für Sommelier
Zu erwähnen ist noch der Besuch von in meinem Fall 8 Weingütern (was in 3 Tagen schon eine Leistung ist, wenn man auch an die dazugehörigen Weinproben denkt). Dabei lernt man die ganze Bandbreite von Winzern kennen. Vom Kleist-Weingut Ninni mit einer Herstellung von 12.000 Flaschen pro Jahr über Tabarrini mit ca. 60.000 Flaschen bis zu Scacciadiavoli mit 250.000 Flaschen pro Jahr. Vom 'Garagen-Weingut' bis zur modernen, neu aufgebauten 'State-of-the-Art-Weingut'. Es war hochinteressant die verschiedensten Philosophien kennenzulernen. Alle hatten sie jedoch eines gemeinsam: Viel Leidenschaft und hoher Einsatz!
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