Eine weitere Weinbewertung unseres Freundes Frank
Also mal ganz frei raus: Normalerweise sind mir Blaublütler und Royals jeglicher Herkunft eher suspekt. Das ist gar nicht wertend gemeint und warum es so ist, könnte ich auch gar nicht genau sagen. Es liegt weder an den Ohren von Prince Charles, noch an den Jagdschlössern oder Steuerbegünstigungen diverser „von und zu’s“ hierzulande. Umso mehr wundert’s mich, dass ich mich auf meine alten Tage dann doch in einen Adligen verknallt habe: in den „U‘ Barone“ von Torre A Oriente. Er ist in vielerlei Hinsicht die große Ausnahme!
Etwa 30 Jahre dauert meine Weinkarriere nun schon an. Und klar, in dieser Zeit habe ich schon einige Rote vernichtet. Hand aufs Herz: Ich kann mich an keinen davon erinnern, der mich so gepackt hat wie er. Das an sich finde ich schon cool, aber das richtig Coole ist, dass ich nicht mal richtig erklären kann, WARUM es eigentlich so ist. Wenn man den Gaul von hinten aufzäumt: „Er schmeckt mer halt saugut!“ Aber das reicht für den Blog von Don Ruperto natürlich nicht :-)
Abb. 1: Frank bei seiner Lieblingsbeschäftigung
Lassen wir mal Aromen, Sensorik und so weiter für den Anfang weg. Was man sagen kann ist: dieser Wein sticht heraus, es ist ein Wein, den man sich merkt, er hat einen brutal hohen Wiedererschmeckungswert (falls man das so sagen kann), er ist „das Gesicht in der Menge“. Experten würden wohl so etwas schwurbeln wie „Dieser Wein ist eigenständig und hat Charakter“. Das stimmt auf jeden Fall. Und warum das so ist, versuche ich mal zu erklären.
Ich mag ja Analogien in allen Lebenslagen. Hier kommt eine aus der Tierwelt: Der U‘ Barone ist kein gestriegeltes und in der Sonne glänzendes Dressurpferd, das Piaffen dreht und in der ersten kühlen Nacht einen Schnupfen kriegt. Der U‘ Barone ist ein wilder, robuster, vor Kraft strotzender Hengst, der im Hinterland von Napoli rumgaloppiert und den man nicht gezähmt bekommt.
Vom Geruch, Geschmack und Mundgefühl her ist er wahnsinnig dicht und intensiv. Er hat Druck, kriegt aber immer die Kurve. Er springt also nicht aus dem Glas, trotz seiner Energie. Und was für einen Wein(konsumenten) wahnsinnig wichtig ist: Er verliert über die verschiedenen sensorischen Kontaktpunkte nichts an Spannkraft: der Abgang hält, was die Nase verspricht!
Abb. 2: Frank und sein neuer Freund: der 'u barone
Jetzt sind wir dann doch beim Geschmack: die Aromen, die für mich dominieren, sind Tabak, Leder, dunkle Schokolade und ebenso dunkle Waldfrüchte. Das Ganze garniert mit jeder Menge Erdigem. Die wuchtigen Tannine vom Aglianico, für den wir diese Rebsorte auch so lieben, sind gut eingebunden. Die wahrnehmbare Säure ist ausbalanciert. Uah, einfach gut!
Es ist schwer in Worten zu vermitteln, aber er vermittelt insgesamt ein Gefühl, dass ihm nix was anhaben kann: Ein paar Tage auf? Kein Problem! Ein blutiges 400 Gramm Steak? Macht er mit links! Ein, zwei Gläser Fiano zuvor? Kampanien setzt mit Genuss noch den Baron drauf, wenn’s draußen schon etwas kälter wird. Er ist ein starker und stabiler Wein.
Noch schnell zur gerne gestellten Frage: Wem könnte so ein Wein (nicht) schmecken? Nun, wer es in Sachen Rot durchweg elegant, seidig und eher tanninarm mag (also Pinot-Jünger), dem dürfte die Kombination aus den handfesten Gerbstoffen, wilden Aromen und der wahrnehmbaren Säure nicht liegen. Einsteiger würden ihn wohl verschmähen mit: "Ach Gott, der is mir viel zu schwer".
Denken wir an die Ergebnisse der Algorithmen auf Kaufplattformen ("Kunden, denen das gefällt, haben auch das gekauft"), würde ich mit Blick auf Anbauregionen annehmen: Deutschland: eher ein höherwertiger St. Laurent. Frankreich: vielleicht die Spitzen-Crus aus dem Roussillon (als Cuvées). Spanien: schwer zu sagen...ein Tempranillo schmeckt auf jeden Fall anders. Er ist eben unvergleichlich :-)
Abb. 3: Der 'u barone von Torre A Oriente
Fazit: Ein Wein, der auf den ersten Schluck nicht jedem gefällig sein dürfte, sondern den man sich erobern muss. Er will aber auch erobert werden. Es gibt mit Sicherheit teurere Rotweine und natürlich auch höherwertige Rotweine (auch Aglianicos), das ist klar. Aber für mich, und übrigens auch für meine liebe Frau Nina, hat dieser Wein irgendwas, was uns nicht mehr loslässt. Wir haben ansonsten keine „Lieblingsweine“ - dafür trinken wir uns zu viel und zu häufig quer über Regionen- und Ländergrenzen und auch Rebsorten hinweg. Aber der hier ist in vielerlei Hinsicht eine Ausnahme – halt "es Gsicht in de Menge“.
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