Nach der Gelegenheit an der CIAK Irpinia 2018 in Montemiletto teilzunehmen, den dabei kennengelernten Weingütern mit den dahinterstehenden Charakteren, ist in mir der Entschluss gereift, diese, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Italien relativ „unbeleckte“ Weingegend Irpinia in Kampanien zu besuchen. Besonders wollte ich mehr über den von mir sehr geschätzten Rotwein, den Taurasi, lernen.
Nun ist Kampanien ja kein unbekanntes Blatt. Wer kennt nicht „bella Napoli“, Capri, Ischia, Sorrento und die wunderschöne amalfitanische Küste mit all ihren Leckereien vom Mozzarella di Buffala in allen Zubereitungen, über die Pizza bis zum Espresso napoletano und dem Limoncello. Diese Gegend hat alleine schon im Kulinarischen besonders viel zu bieten. Aber wer kennt schon Avellino (vielleicht noch vom Namen), geschweige denn Montemarano, Mirabella, Castelfranci, Montefusco oder Paternopoli? Man merkt schnell, dass hier noch einiges zu erkunden ist. Wenn man dann, von Neapel kommend, die Autostrada in Richtung Bari fährt, durchdringt man die Apenninen um dann bei Avellino das Tor zur Irpinia zu erreichen. Die Landschaft ändert sich recht abrupt. Aus den waldigen Bergen werden sanfte Hügel, die eine sehr schöne Abwechslung bieten zwischen Weinbergen, Feldern, Wäldern und sehr beschaulichen Ortschaften. Einfach wunderschön! Jedoch auch recht unerforscht. Wenn man Italien aus den touristischen Gegenden wie Toskana, Venetien, aber auch Umbrien und Marken kennt, fällt einem sofort auf, dass hier sehr wenige Touristen unterwegs sind. An der Gegend, den Menschen und den Weinen kann es nicht liegen. Ich vermute, dass die vorab erwähnten, allseits bekannten Sehenswürdigkeiten Kampaniens die Touristen zu sehr in Bann ziehen. Dabei hat die Irpinia doch einiges zu bieten. Wer die Toskana, Umbrien und die Marken landschaftlich mag, der wird sich auch in der Irpinia wohlfühlen. Die sanften Hügel, die malerischen Dörfer, nur ein bisschen ruhiger und langsamer scheint es zuzugehen.
Abb 1: Hügellandschaft bei Avellino
Das Domizil war schnell gewählt in Atripalda bei Avellino, ein bisschen wie die Eingangstür in die Irpinia, aber auch Sitz des wohl renommiertesten Weingut in Kampanien: Mastroberardino. Da dieses Weingut mit seinen Weinen mir schon einigermaßen bekannt ist, habe ich diesmal bevorzugt andere Weingüter zu besuchen. Ich wollte einen Querschnitt kennenlernen, vom bereits renommierten Unternehmen Terredora di Paolo, ein Familienzweig der Mastroberardino Familie (ca. 850.000 Flaschen Jahresproduktion), und die Tenuta Pepe (ca. 400.000 Flaschen) über kleinere Familien-Weingüter wie Salvatore Molettieri (ca. 60.000 Flaschen) und Michele Perillo (ca. 25.000 Flaschen) bis zum Nebenerwerbswinzer Gianni Fiorentino mit einer Jahresproduktion von gerade mal 7.500 Flaschen Wein. Bei allen gemeinsam war die Liebe zur Irpinia, ihrer Geschichte und ihrer Tradition zu spüren.
Abb 2: Weinberge in Irpinia
Vielleicht zuerst ein paar Informationen zum Taurasi DOCG. Naheliegend für den Namen Taurasi wäre, dass es der Wein aus der Gemeinde Taurasi ist. Tatsächlich befinden sich aber die größten Teile des Anbaugebietes nicht in der Gemeinde Taurasi, sondern in den angrenzenden Gemeinden. In früheren Jahren wurden die Weine des Irpinia, mit wenigen Ausnahmen, wie z.B. dem renommierten Weingut Mastroberardino, nicht selbst vermarktet. Die Weine, deren Qualitäten durchaus geschätzt waren, wurden stattdessen schon in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts in die Toskana, das Piemont, ja sogar nach Frankreich verkauft, da dort die Reblausplage viele Weinberge vernichtet hatte. Die Sammelstelle für den Abtransport mit der „ferrovia del vino“, der Eisenbahn des Weines, war in Taurasi, was dann auch Namensgeber für die lange einzige DOCG Klassifizierung in Kampanien war. Der Taurasi DOCG besteht zu mindestens 85% aus der roten Rebsorte Aglianico (der Rest darf aus anderen, freigegebenen roten Weinsorten sein), jedoch erzeugten alle von mir besuchten Weingüter ihren Taurasi zu 100% aus Aglianico. Er muss 3 Jahre reifen, mit mindestens einem Jahr im Holzfass, die Riserva sogar 4 Jahre, mit mindestens 18 Monaten im Holzfass. Da die Rebsorte Aglianico sehr starke gerbstoffbetonte Weine hervorbringt, die erst mit den Jahren sanfter werden, schadet eine lange Lagerung nicht. Ganz im Gegenteil sollte man die besseren Taurasi erst in einem reiferen Alter trinken. So bringt z.B. Michele Perillo seinen Taurasi und seine Taurasi Riserva erst im Alter von 10 Jahren auf den Markt.
Abb 3: Felice und Michele Perillo
Im ersten Teil meiner Weinreise war ich mehr im Südosten des Taurasigebietes. In den Gemeinden Castelfranci, Montemarano und Paternopoli sind die mehr ursprünglichen, vor Kraft strotzenden Taurasi-Weine zuhause. Die Azienda Vitivinicola Salvatore Molettieri hat ihren Sitz in Montemarano. Von dort hat man einen schönen Überblick über die Weinberge bis nach Castelfranci. Der Familienbetrieb wird betrieben von Salvatore mit seinen 4 Söhnen Giovanni, Giuseppe, Luigi und Paolo. Wenn man den Taurasi Cinque Querce trinkt, dann erkennt man die Identität der Familie, die hart in den Weinbergen und im Weinkeller arbeitet. Man hat das Gefühl sie kennen jedes Sandkorn in ihren Lagen. Die Weine von Molettieri sind sehr wuchtig, mit langem Nachhall. Es sind Weine für Liebhaber voller, kräftiger Rotweine. Für diese Art Taurasi sind die Weine von Salvatore Molettieri zusammen mit den Weinen von Michele Perillo meine absoluten Favoriten. Man muss sie getrunken haben, sollte aber den Weinen die nötige Zeit geben.
Abb 4: Giuseppe Molettieri
In Paternopoli gelegen ist die Azienda Agricola Fiorentino, betrieben im Nebenerwerb durch Giovanni Fiorentino. Giovanni, ein studierter Jurist, arbeitet für die Region Irpinia und hatte vor Jahren beschlossen, die schon lange vorhandene Berufung der Familie zur Weinherstellung zu professionalisieren. Dabei wurde ein sehr vorzeigbares Weingut erbaut, das mit Holz und Bioarchitektur von lokalen Handwerkern erbaut wurde. Es symbolisiert das enge Verhältnis zur Natur und Heimat. Obwohl Fiorentinos Weine noch nicht lange vermarktet werden, so sage ich ihnen jetzt schon ein große Zukunft voraus. Sein Taurasi ist mir schon beim CIAK Irpinia 2018 in Montemiletto sehr positiv aufgefallen. Er ist mehr ätherisch, balsamisch, nicht so wuchtig ausgeprägt und wirkt sehr harmonisch. Auch dieser Taurasi sollte nicht zu jung getrunken werden, braucht aber nicht ganz die Zeit, die ein Molettieri oder Perillo zum vollen Genuss braucht. Vom Jahrgang 2017 hat er auch erstmalig eine Riserva im Fass. Die Fassprobe lässt auch hier außergewöhnliches erwarten. Aber nicht zuletzt hat es mir sein Aglianico Rosato angetan. Obwohl ich eigentlich nicht der Roséwein-Liebhaber bin, muss ich zugeben, dass dieser Wein besonders ist.
Abb 5: Weinkeller der Azienda Agricola Fiorentino
Das Weingut Terredora di Paolo ist in Montefusco gelegen. Dort hatte ich die Gelegenheit Daniela Mastroberardino und ihren Bruder Paolo zu treffen. (Wie der Nachname erkennen lässt, sind die Besitzer mit dem kampanischen Flaggschiff-Weingut Mastroberardino verwandt. Walter Mastroberardino hat sich 1994 mit Terredora di Paolo vom Weingut Mastroberadino abgetrennt, das damals weiter von seinem Bruder Antonio geführt wurde.) Daniela, die sich mehr um den Vertrieb kümmert, bringt die Passion mit für ihren Wein, ihre Herkunft und die Geschichte ihrer Heimat. Diesen Bezug kann man auch auf jeder Flasche Wein von Terredora erkennen. Auf den Banderole der Weinflaschen ist ein altes langobardisches Zeichen verewigt, das man auch am Eingang der pittoresken Ortschaft Montefusco als Wahrzeichen finden kann. Nach einer Kellertour hat Daniela stolz die Gegend mit den schön gelegenen Weinlagen von Terredora gezeigt, bevor wir zum Verkosten der Weine kamen. Die Vielfalt der Weine ist schon beeindruckend, klar erkennbar das Herausarbeiten des Terroirs für die verschiedenen Rebsorten. So wird auch bei manchen Weißweinen sanft mit Barriqueausbau gearbeitet, was den Weinen eine ganz besondere, sanfte Note gibt. Die drei verschiedenen Terredora-Taurasi, besonders der CampoRe, gehören zu den eleganten, feingliedrigen Taurasi im Anbaugebiet. Auch sie sind natürlich alterungsfähig, lassen sich aber auch gerne schon mit 5-7 Jahren sehr gut genießen.
Abb 6: Ortseingang Montefusco (Langobarden Symbol)
Abb 7: Daniela Mastroberardino
Zusammenfassend konnte man feststellen, dass auch im Süden Italiens „con passione“ tolle Weine erzeugt werden. Es wird dabei auch das Terroir betont, d.h. dass die Unterschiede der Lagen mehr und mehr herausgearbeitet werden. Noch nicht so sehr wie z.B. im Piemont, wo die Lagen ein Indiz für die Charakterisierung der Weine sind, jedoch ist der Schritt dazu kleiner geworden. Man kann das Weingut Feudi di San Gregorio hier durchaus als Vorreiter nennen, die mit ihrer Feudi Studi Versuchsreihe sowohl für Weiß- als auch für Rotweine verschiedene Lagenweine erarbeiten. Es ist noch einiges zu erwarten in der Irpinia.....
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